Am Muttertag scheiden sich immer stärker die Geister. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Fakt ist, die Leistung einer Mutter sollte nicht nur an einem einzigen Tag gewürdigt werden. Oder doch? Der Muttertag ist übrigens keine Erfindung der Floristen. Es würde allerdings Sinn machen, denn sie profitieren davon am meisten. Tatsächlich reichen die Wurzeln dieses Übels mindestens bis ins 17. Jahrhundert zurück, wo von einem englischen Muttertag ohne religiösen Hintergrund berichtet wurde. Es war eine Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, die 1872 einen offiziellen Feiertag für amerikanische Mütter forderte. Ihre Tochter griff diese Idee auf und so trat der Muttertag unaufhaltsam seinen Siegeszug an. In Deutschland wurde er 1933 (!) auf den zweiten Sonntag im Mai festgelegt. Das Verlangen nach einem Ehrentag für Mütter ist also tief verwurzelt in der Geschichte der Menschheit. Genauso tief wie das schlechte Gewissen gegenüber den Müttern, deren Leistung weder im 17. noch im 21. Jahrhundert entsprechend gewürdigt wurde. Keine Frau braucht diesen Ehrentag, sie möchte das gesamte Jahr über mit Respekt, Anerkennung und Liebe behandelt werden. Die Forderungen der Mütter sind also genauso utopisch wie die Vorstellung, an einem Tag die Leistungen der Mütter würdigen zu können. Kein Wunder, dass so viele Mütter resignieren und den Wert des Muttertages unterschätzen. Es geht doch gar nicht darum, Geschenke einzuheimsen oder sich verwöhnen zu lassen. Es ist eine nette Randerscheinung eines viel spektakulären Phänomens. Der Muttertag versetzt Kinder und Väter immer wieder in ein kollektives schlechtes Gewissen. Und ein schlechtes Gewissen ist ein formbares Gewissen. Und wer erzieht die Väter von morgen: die Mütter. Der Muttertag ist der Tag, an dem Kinder und Väter zähneknirschend unsere Macht anerkennen müssen. Also meine lieben Mütter, genießen wir doch den zweiten Sonntag im Mai. Legen wir die Füße hoch und lassen wir uns wie eine Königin verwöhnen. Und vergessen Sie niemals, dass wir die Welt regieren. Text: Adelheid Fangrath Foto: by photocase.de; masterP
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