Lukas war besonders stolz auf seine Omi. Sie war nicht wie andere Omas, die mit ihren Enkelkindern in den Zoo oder zum Eis essen gingen. Seine Oma unternahm mit ihm Fahrradtouren, joggte mit ihm auf dem Trimmdich-Pfad durch den Wald und seit letztem Weihnachten, als das Christkind nicht nur ihm und seiner kleinen Schwester einen Cityroller brachte, sondern auch seiner Oma, seit dem brausten sie auch auf Cityroller durch die Gegend. Das machte erst recht Spaß, wenn seine kleine Schwester, die nicht so schnell fahren konnte, nicht dabei war. Dann konnten sie so schnell wie der Wind über die Wege rasen und Lukas fühlte sich besonders glücklich, wenn er mit seiner Oma Verfolgungsjagd spielen konnte. Dann eines Tages passierte es. Sie waren gerade so schön einen Berg hinuntergerast, als ein kleiner Stein den Cityroller seiner Oma zum Schlingern brachte und sie stürzte. Lukas bremste sofort und kehrte zu seiner am Boden liegende Oma zurück. Als er zu ihr kam, hatte sie sich bereits hingesetzt. Sie blutete am Knie und an den Händen. Vor Schreck brachte er kein Wort heraus. Wenn er selbst stürzte, war das nicht so schlimm. Er war ja noch jung und Kinder steckten das wesentlich besser weg als Omis. Hatte ihm doch erst vor kurzem einer seiner Klassenkameraden erklärt, dass Omas starben, wenn sie hinfielen. Dessen Oma war nach einem Treppensturz gestorben. Voller Angst um seine Oma beobachtete er sie auf dem Heimweg genau. Sie musste sich zwar auf ihren Roller stützen, aber sie konnte noch gehen. Sie humpelte und verzog hin und wieder vor Schmerz das Gesicht. Doch noch ging sie aufrecht. Bei der Oma seines Klassenkameraden hatte es auch eine Weile gedauert. Sie starb erst ein paar Stunden später im Krankenhaus. Lukas hatte große Angst um seine Oma. Sie war doch noch so jung und er hatte noch so viel vor mit ihr. Übernächstes Wochenende wollten sie zusammen mit dem Wohnmobil einen Abstecher zu dem Kurort machen, zu dem seine Oma in ein paar Wochen gehen musste. Und sie hatte ihm versprochen, mit ihm in das neue Erlebnisbad zu gehen, sobald es endlich öffnete. Doch er sagte nichts. Tapfer ging er neben ihr her und passte auf sie auf, damit sie nicht wieder stürzte und vielleicht dann wirklich... Lukas wollte gar nicht daran denken. Er musste nun sehr gut auf seine Oma aufpassen. Er kuckte lieber drei Mal links und rechts, als sie über die Hauptstraße mussten und half ihr über den Bordstein hinweg. Er machte sie auf Löcher im Weg aufmerksam und räumte schnell größere Steine und Erdbrocken weg, die Traktoren auf dem Spazierweg hinterlassen hatten. Immer wieder begutachtete er sie genau, sprach ihr gut zu. Bald würden sie zu Hause sein und dann könne sie sich ausruhen und ein Pflaster auf ihre Wunden kleben. Endlich angekommen, brachte er sogleich ein feuchtes Tuch, Pflaster und Wundsalbe an und half beim Versorgen der Wunden eifrig mit, damit sie sich ja nicht übernahm. Als sie fertig waren, nahm die Oma den noch immer sorgenvoll dreinblickenden Lukas in den Arm und drückte ihn liebevoll. Sie hatte sich sehr über seine Fürsorge gefreut, sagte sie ihm. Und morgen würden sie wieder Cityroller fahren. Aber dann würde sie eine lange Hose und Fahrradhandschuhe anziehen - falls sie wieder stürzte. Lukas war überglücklich. Seine Omi war etwas ganz besonderes. Denn sie ließ sich selbst von einem Sturz nicht unterkriegen. © Angelika Gerber Foto: idaho, photocase.de
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